Komplexe Zahlen 1




Geschichtliches



Die Bezeichnung imaginäre (eingebildete) Zahl führte Mitte des 17. Jahrhunderts
René Descartes René Descartes (1596-1650) war ein französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler.
ein.
Die imaginäre Einheit i als neue Zahl sowie die nach ihm benannte Eulersche Formel stammt von
Leonhard Euler Leonhard Euler (1707-1783) war ein schweizer Mathematiker und Naturwissenschaftler.
. Er veröffentlichte auch die Formel von
Moivre Abraham de Moivre(1667-1754) war ein französischer Mathematiker.
, der sie von Isaac Newton hatte.
Eine geometrische Interpretation gelang 1799
Caspar Wessel Caspar Wessel (1745-1818) war ein norwegisch-dänischer Mathematiker und Geodät.
, die sich aber erst später verbreitete.
Der Begriff 'komplexe Zahl' wurde 1831 von
Carl Friedrich Gauss Carl Friedrich Gauss (1777-1855) war ein deutscher Mathematiker, Geodät und Naturwissenschaftler.
eingeführt.


Inhalt


1.  Einführung und Definition



2.  Erste Beispiele inkl. Division komplexer Zahlen


2.1.  Beispiele


2.2.  Aufgaben



3.  Polarform und Gaußsche Zahlenebene


3.1.  Polarform komplexer Zahlen


3.2.  Aufgaben




4.  Wurzeln komplexer Zahlen


4.1.  Kreisteilungsgleichung  zn = 1


4.2.  Gleichung  zn = r E(α)


4.3.  Aufgaben



5.  Fundamentalsatz der Algebra



6.  Anwendungen


6.1.  Bewegungen


6.2.  Wechselstrom


6.3.  Pythagoräische Zahlen


6.4.  Aufgaben




1.  Einführung und Definition


Die komplexen Zahlen bilden gewissermaßen den Abschluss einer Reihe von Zahlbereichserweiterungen, die aus der Schule bekannt sind. Die Zahlbereichserweiterungen wurden nötig, weil bestimmte Berechnungen in der ursprünglichen Zahlenmenge nicht möglich waren.
Es fehlen meist die inversen Elemente (s. Gruppen).


Konkret:
Ausgehend von der Menge der natürlichen Zahlen \( \mathbb{N} \) = {0 , 1, 2 , 3 , ...}, die das Zählen ermöglichen, möchte man beliebige lineare Gleichungen der Form x + a = b lösen mit den Parametern a,b ∈\( \mathbb{N} \).
Es gelingt beispielsweise für x + 3 = 5 (Lösung: x = 2), aber in \( \mathbb{N} \) nicht für die Gleichung x + 5 = 3.
Lösung des Problems: Einführung von negativen Zahlen
Dann gilt: x + 5 = 3 → x = -2
Man erhält dadurch die Menge der ganzen Zahlen \( \mathbb{Z} \) = {..., -2, -1, 0, 1, 2, ...}

Beliebige Gleichungen der Form x ⋅ a = b können ebenfalls nicht in jedem Fall in der Menge der ganzen Zahlen gelöst werden.
Beispiel: x ⋅ 6 = 18 führt zur Lösung x = 3, aber x ⋅ 18 = 6 lässt sich in der Menge der ganzen Zahlen nicht lösen.
Lösung des Problems: Einführung der rationalen Zahlen \(\mathbb{Q}\) = {\(\frac{m}{n}~|~m \in \mathbb{Z};~n\in \mathbb{N^+}\)} - umgangssprachlich Brüche bzw. periodische Dezimalzahlen.
Dann gilt: x ⋅ 18 = 6 → x = \(\frac{1}{3}\)

Möchte man nun beliebige quadratische Gleichungen der Form x2 - a = 0 mit a > 0 in der Menge der rationalen Zahlen lösen, ist dies nicht möglich.
Beispiel: x2 - 4 = 0 → x = ± 2, aber x2 - 2 = 0 ist in \(\mathbb{Q}\) nicht lösbar.
Lösung des Problems: Einführung der reellen Zahlen \(\mathbb{R}\).
In der Schule werden reelle Zahlen meist über
Intervallschachtelungen Das sind Folgen geschachtelter Intervalle [an,bn] mit ai,bi ∈ \(\mathbb{Q}\).
Für n → \(\infty\) gilt dann:

[an+1,bn+1] ⊆ [an,bn]

mit bn - an → 0

Beispiel:
\(\sqrt{2}\)=[1;2],[1,4;1,5],[1,41;1,42],...
definiert.

Die Menge \(\mathbb{R}\) umfasst damit rationale und irrationale Zahlen.

Rationale Zahlen lassen sich als Bruch \(\frac{m}{n}~mit~m \in \mathbb{Z};~n\in \mathbb{N^+}\) darstellen.

Die Menge der reellen Zahlen besteht aus der Menge der rationalen Zahlen und der Menge der irrationalen (also nicht rationalen) Zahlen.

Algebraische Zahlen sind Lösungen algebraischer Gleichungen der Form \(a_nx^n+a_{n-1}x^{n-1}+...+a_1x^1+a_0=0\) mit den rationalen Koeffizienten ai.
Außer den rationalen Zahlen sind demnach auch Wurzeln algebraische Zahlen, denn z.B. \(x^2-2=0~\rightarrow~x=\pm \sqrt{2}\).

Transzendente Zahlen sind irrationale Zahlen, die nicht algebraisch sind, z.B. \(\pi\approx3,14...\) oder die Eulersche Zahl \(e\approx2,71...\). Transzendente Zahlen sind nicht abbrechende nicht-periodische Dezimalzahlen, die nicht als Wurzel darstellbar sind.

Fazit: Irrationale Zahlen = transzendente Zahlen \( \cup \) nichtrationale algebraischen Zahlen.

Anmerkung: Die Mengen der natürlichen Zahlen, der ganzen Zahlen, der rationalen Zahlen und der algebraischen Zahlen sind gleichmächtig, besitzen demnach gleich viele Elemente. Diese Mengen sind abzählbar. Man kann zwischen diesen Mengen eine bijektive Abbildung konstruieren, die die einzelnen Elemente eindeutig aufeinander abbildet.
Demgegenüber ist die Menge der transzendenten Zahlen überabzählbar (s. Cantors Diagonalbeweis) - diese Menge (und damit auch die Menge der reellen Zahlen) ist echt mächtiger als die abzählbaren Mengen.
Die Anzahl (Mächtigkeit) der abzählbaren Mengen heißt ℵ0, die der reellen Zahlen ℵ1 (sprich: aleph).

Rationale Zahlen und reelle Zahlen liegen dicht. Man kann zwischen zwei beliebigen (verschiedenen) Zahlen a und b eine weitere Zahl angeben, z.b: \(\frac{a+b}{2}\).
Reelle Zahlen sind im Gegensatz zu rationalen Zahlen vollständig,d.h. jede nicht-leere nach oben beschränkte Menge hat ein Supremum (kleinste obere Schranke).





Es können aber in \(\mathbb{R}\) nicht alle quadratischen Gleichungen gelöst werden.
Einfaches Beispiel: x2 + 4 = 0 ist in \(\mathbb{R}\) nicht lösbar. Als Lösung käme \(x_{1,2}=\pm\sqrt{-4}=\pm\sqrt{4\cdot(-1)}=\pm2\sqrt{-1}\) in Frage.

Es stellt sich heraus, dass eine derartige Darstellung sinnvoll ist. Deshalb definiert man:

i2 = -1


Nun kann die Gleichung x2 + 4 = 0 gelöst werden:
\(x_{1,2}=\pm\sqrt{-4}=\pm\sqrt{4\cdot(-1)}=\pm2\sqrt{-1}=\pm2i\)


Definition: komplexe Zahlen


Die Menge \(\mathbb{C}\) der komplexen Zahlen wird dargestellt durch


\(\boldsymbol{\mathbb{C}~=~\{a+bi~|~a,b\in\mathbb{R}\}}~~~mit~i^2=-1\)


Üblicherweise verwendet man den Buchstaben z für komplexe Variablen.
Die Darstellung z = a + bi heißt Summendarstellung komplexer Zahlen. i heißt imaginäre Einheit. a heißt der Realteil von z und b heißt der Imaginärteil von z. Man schreibt a = Re(z) und b = Im(z).
Es gelten die üblichen Rechenregeln (Assoziativ-, Distributiv- sowie Kommutativgesetz).

Zu beachten: \(i^2=-1~~,~~i^3=i^2\cdot i=-i~~,~~i^4=i^2\cdot i^2=1\).
Höhere Potenzen als 1 von i können entsprechend umgewandelt werden.

Wenn z = a + bi ist, heißt z* = a - bi die zu z konjugiert komplexe Zahl.


William Rowan Hamilton 1833 fand eine logisch einwandfreie Begründung als Paar reeller Zahlen mit den Verknüpfungen
(a,b) + (c,d) = (a+c, b+d) sowie (a,b) * (c,d) = (ac-bd,ad+bc)

Die komplexen Zahlen können auch durch Matrizen definiert werden:
\(\mathbb{C}=\begin{pmatrix}a & -b \\b & a\end{pmatrix}\) = a \(\begin{pmatrix}1 & 0 \\0 & 1\end{pmatrix}\) + b \(\begin{pmatrix}0 & -1 \\1 & 0\end{pmatrix}\) = a ⋅ E + b ⋅ I ; \(~~a,b\in\mathbb{R}\)

Die Menge der komplexen Zahlen bildet mit den Verknüpfungen + und ⋅ einen Körper, der die rationalen sowie reellen Zahlen als Teilkörper enthält.
Allerdings bildet die Menge der komplexen Zahlen im Gegensatz zu den rationalen oder reellen Zahlen keinen angeordneten Körper mehr.

Für einen angeordneten Körper müssen die Elemente verglichen werden können, d.h.
\(z_1 < z_2~oder~ z_1 = z_2~oder~z_1 > z_2\) .

Die Eigenschaft der Transitivität der Anordnung muss erfüllt sein: \(z_1 < z_2~und~z_2 < z_3~~~~\rightarrow~~~~z_1 < z_3\)

Rechengesetze für Ungleichungen müssen erfüllt sein:
Monotonie der Addition: Falls \(z_1 < z_2~,~~so ~gilt~~ \forall z_3~(z_1+z_3 < z_2+z_3) \)
Monotonie der Multiplikation: Falls \(z_1 < z_2 ~,~~so ~gilt~~ \forall (z_3 > 0)~(z_1\cdot z_3 < z_2\cdot z_3)\)

Zwar können 'Vergleiche' zwischen komplexen Zahlen definiert werden: z.B.:
\(z_1 < z_2~~genau~dann~wenn~~\begin{cases}|z_1| < |z_2| \\oder\\|z_1| = |z_2|~und~Winkel(z_1) < Winkel(z_2) \end{cases}\)
(Bedeutung s. Polarformen komplexer Zahlen)

Aber es ist nicht möglich, 'Vergleiche' zu konstruieren, die sowohl die Transitivität als auch die Monotoniegesetze gleichzeitig erfüllen.




2.  Erste Beispiele inkl. Division komplexer Zahlen



2.1.  Beispiele



Beispiel 1:

Seien z1 = 2 + 3i , z2 = 2 - i gegeben.
Dann ist \(~~~z_1+z_2~=~(2+3i)+(2-i)~=~4+2i\)
\(~~~~~~~~~~~~~~~~~z_1-z_2~=~(2+3i)-(2-i)~=~4i\)
\(~~~~~~~~~~~~~~~~~z_1\cdot z_2~=~(2+3i)\cdot (2-i)~=~(4-3i^2)+(-2+6)i~=~7+4i\)

Um den Quotienten zu berechnen,erweitert man den Bruch mit der konjugiert komplexen Zahl des Nenners. Auf diese Weise lässt sich das Ergebnis der Division leicht in Summenschreibweise darstellen:

allgemein:\(\Large \frac{1}{z}=\frac{1}{z}\frac{z^*}{z^*}=\frac{1}{a+bi}\frac{a-bi}{a-bi}=\frac{a-bi}{a^2+b^2}=\frac{a}{a^2+b^2}-\frac{b}{a^2+b^2}i\)
am Beispiel: \(\Large \frac{z_1}{z_2}~=~\frac{2+3i}{2-i}~=~\frac{(2+3i)(2+i)}{(2-i)(2+i)}~=~\frac{1+8i}{5}~=~\frac{1}{5}+\frac{8}{5}i\)

Beispiel 2:

Berechne die Nullstellen der Funktion f(z) = \(z^2-2z+5\).
Ansatz: \(z^2-2z+5~=~0\)
Daraus folgt: \(z_{1,2}~=~1\pm \sqrt{1-5}~=~1\pm \sqrt{4\cdot(-1)}~=~1\pm2i\)

Probe:
Einsetzen von \(z_1\) in f:
\(f(1-2i)=(1-2i)^2-2\cdot(1-2i)+5\)\(=(1-4i+4i^2)-(2-4i)+5=(1-4i-4)-(2-4i)+5=0\)
Einsetzen von \(z_2\) in f:
\(f(1+2i)=(1+2i)^2-2\cdot(1+2i)+5\)\(=(1+4i+4i^2)-(2+4i)+5=(1+4i-4)-(2+4i)+5=0\)

Anmerkung: Der Fundamentalsatz der Algebra stammt von Carl Friedrich Gauss (1799) und besagt, dass sich jedes Polynom in \(\mathbb{C}\) in (nicht notwendigerweise verschiedene) Linearfaktoren zerlegen lässt.

Beispiel 3:

Seien z1 und z2 gegeben. Dann gilt:
\(a)~(z_1+z_2)^*=z_1^*+z_2^*~~~~~~~~~~b)~(z_1-z_2)^*=z_1^*-z_2^*~~~~~~~~~~\)\(c)~(z_1\cdot z_2)^*=z_1^*\cdot z_2^*~~~~~~~~~~d)~(z_1:z_2)^*=z_1^*:z_2^*\)

Beweis:
Seien \(z_1=a_1+b_1i~und~z_2=a_2+b_2i\).
\(a)~(z_1+z_2)^*=((a_1+b_1i)+(a_2+b_2i))^*=((a_1+a_2)+(b_1+b_2)i)^*\)\(~~~~~~~~~~~~~~=(a_1+a_2)-(b_1+b_2)i=(a_1-b_1i)+(a_2-b_2i)=z_1^*+z_2^*\)
b) entsprechend
\(c)~(z_1\cdot z_2)^*=((a_1+b_1i)\cdot (a_2+b_2i))^*=((a_1a_2-b_1b_2)+(a_1b_2+a_2b_1)i)^*\)\(~~~~~~~~~~~~~~=(a_1a_2-b_1b_2)-(a_1b_2+a_2b_1)i=(a_1-b_1i)\cdot (a_2-b_2i)=z_1^*\cdot z_2^*\)
d) Eine direkte Rechnung ist mühsam. Man zeigt besser:\(\Large (\frac{1}{z})^*=\frac{1}{z^*}\)
und denkt daran, mit der konjugiert komplexen Zahl des Nenners zu erweitern.
Also: \(\Large (\frac{1}{z})^*=(\frac{1}{a+bi})^*=(\frac{a-bi}{a^2+b^2})^*=\frac{a+bi}{a^2+b^2}=\frac{1}{a-bi}=\frac{1}{z^*}\)
Nun kann man auf das Ergebnis von c) zurückgreifen:
\(\Large (z_1\cdot \frac{1}{z_2})^*=z_1^*\cdot(\frac{1}{z_2})^*=z_1^*\cdot\frac{1}{z_2^*}=\frac{z_1^*}{z_2^*}\)



2.2.  Aufgaben



1.
Gegeben seien z1 = 3 - 2i , z2 = -2 + i sowie z3 = 4i.
Berechne: a) z1 + 2⋅z2     b) (z1 - 2⋅z3)⋅ z2      c) \(\Large \frac{2\cdot z_2+3\cdot z_3}{z_1}\)

2.
Bestimme die Lösungen der Gleichungen
a) (1+i)z + (3-i) = 7 - 3i      b) z2 - 4z + 13 = 0      c) z2 + 6z + 10 = 0

3.
Zeige die folgenden Beziehungen für die konjugiert komplexen Zahlen z und z*:
a) (z*)* = z      b) z + z* = 2⋅Re(z)      c) z - z* = 2⋅Im(z)⋅i
d) Wenn z = z* gilt, ist z eine reelle Zahl.
e) Wenn z = -z* gilt, ist z eine rein imaginäre Zahl.


zu 1.
a) \(z_1+2z_2=(3-2i)+2\cdot (-2+i)=-1\)
b) \((z_1-2z_3)\cdot z_2=((3-2i)-2\cdot 4i)\cdot(-2+i)=(3-10i)\cdot (-2+i)=4+23i\)
c) \(\large \frac{2\cdot z_2+3\cdot z_3}{z_1}=\frac{2\cdot(-2+i)+3\cdot4i}{3-2i}=\frac{-4+14i}{3-2i}=\frac{-4+14i}{3-2i}\frac{3+2i}{3+2i}=\frac{-40+34i}{13}=-\frac{40}{13}+\frac{34}{13}i\)

zu 2.
a) \((1+i)z + (3-i) = 7 - 3i\)
\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~(1+i)z=4-2i\)
\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~z=\frac{4-2i}{1+i}\)
\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~z=\frac{4-2i}{1+i}\frac{1-i}{1-i}\)
\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~z=\frac{2-6i}{2}=1-3i\)

b) \(z^2-4z+13=0\)
p-q-Formel anwenden:
\(z_{1,2}=2\pm\sqrt{4-13}=2\pm\sqrt{-9}=2\pm 3i\)

c) \(z^2+6z+10=0\)
p-q-Formel anwenden:
\(z_{1,2}=-3\pm\sqrt{9-10}=-3\pm\sqrt{-1}=-3\pm i\)

zu 3.
Sei z = a + bi.
a) (z*)* = ((a + bi)*)* = (a - bi)* = a + bi = z

b) z + z* = (a + bi) + (a - bi) = 2⋅a = 2⋅Re(z)

c) z - z* = (a + bi) - (a - bi) = 2⋅bi = 2⋅Im(z)⋅i

d) Sei z = z* ↔ a + bi = a - bi
Anmerkung: Zwei komplexe Zahlen sind genau dann gleich, wenn sie in Real- und Imaginärteil übereinstimmen.
Dann: a = a und b = -b → b = 0 → z = a reell.

e) Sei z = -z* ↔ a + bi = -(a - bi) = -a + bi
Dann: a = -a und b = b → a = 0 → z = bi rein imaginär.







3.  Polarform und Gaußsche Zahlenebene



3.1.  Polarform komplexer Zahlen



Ähnlich der Darstellung reeller Zahlen auf der Zahlengeraden lassen sich komplexe Zahlen in der Gaußschen Zahlenebene darstellen.
Die die Ebene aufspannenden zueinander orthogonalen Achsen heißen reelle bzw. imaginäre Achse. Realteil a und Imaginärteil b fungieren dabei als 'Koordinaten'. Komplexe Zahlen lassen sich somit als Punkte dieser Ebene auffassen.
Die Darstellung der Zahlen entspricht demnach einer Darstellung von Punkten in einem kartesischen Koordinatensystem mit den Koordinaten x und y.
Dargestellt sind: z1 = 2 + i   ,   z2 = 3 - i   ,  z3 = 2i

Anstatt nun kartesische Koordinaten zu verwenden, geht man zu Polarkoordinaten über.
Dann wird ein Punkt z durch den Abstand r = |z| eines Punktes vom Ursprung - sein Betrag - sowie den Winkel α, den die reelle Achse mit der Geraden durch den Ursprung und dem Punkt z einschließt, charakterisiert.

(a , b)   ↔   (r , α)


Es gilt 0 < r < ∞ sowie 0° ≤ α < 360°.

Man erhält die Umrechnungsgleichungen:

Polar → Summenschreibweise

a = r cos α


b = r sin α



Summenschreibweise → Polar:

r = \(\sqrt{a^2+b^2}\)


α = arctan \(\large \frac{b}{a}\)    2. und 3. Quadrant: +180°  ,    4. Quadrant: +360°

Sonderfälle Re(z)-Achse: b = 0 , a > 0 → α = 0° ; b = 0 , a < 0 → α = 180°

Im(z)-Achse: a = 0 , b > 0 → α = 90° ; a = 0 , b < 0 → α = 270°



Der Betrag einer komplexen Zahl z = a + bi ist demnach:

r = |z| = \(\sqrt{a^2+b^2}=\sqrt{z\cdot z^*}\).


Wegen a = r cos α sowie b = r sin α folgt

z = a + bi = r⋅E(α)     mit   E(α) = cos α + i sin α



Die Schreibweise z = r⋅E(α) heißt Polarform einer komplexen Zahl.


Der Ausdruck E(α) hängt mit der Eulerschen Zahl e zusammen:

E(α) = cos α + i sin α = \(e^{i\alpha}\)

Der Zusammenhang erschließt sich über die Taylorreihen-Entwicklung der involvierten Funktionen.



Dann: z1 = 2 + i = \(\sqrt{5}\)⋅E(26,6°)  ,    z2 = 3 - i = \(\sqrt{10}\)⋅E(341,6°)  ,   z3 = 2i = 2⋅E(90°)


Eigenschaften von E(α):

1. E(α) = E(α + 2⋅n⋅π)   ∀ α ∈ \(\mathbb{R}\) , n ∈ \(\mathbb{Z}\)


insbesondere E(0) = 1


2. |E(α)| = 1


3. \(E(\alpha_1)\cdot E(\alpha_2)~=~E(\alpha_1+\alpha_2)\)


insbesondere für \(\alpha_1=-\alpha_2=\alpha~gilt:~E(\alpha)\cdot E(-\alpha)~=~E(0) = 1\)


\(d.h.~E(-\alpha)~ist~zu~ E(\alpha)~reziprok:~\frac{1}{E(\alpha)}=E(-\alpha)\)


außerdem gilt: \((E(\alpha))^2~=~ E(2\alpha)~bzw.~(E(\alpha))^n~=~ E(n\alpha)\) , n ∈ \(\mathbb{N}\)




zu 1.
folgt aus der Periodizität von sin und cos.

zu 2.
\(|E(\alpha)|=\sqrt{sin^2\alpha+cos^2\alpha}=\sqrt{1}=1\)

zu 3.
\(E(\alpha_1)\cdot E(\alpha_2)=(cos\alpha_1+i~sin\alpha_1)\cdot (cos\alpha_2+i~sin\alpha_2)\)
\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~=(cos\alpha_1~cos\alpha_2-sin\alpha_1~sin\alpha_2)+i~(cos\alpha_1~sin\alpha_2+ sin\alpha_1~cos\alpha_2)\)
\(~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~=(cos(\alpha_1+\alpha_2)+i~sin(\alpha_1+\alpha_2)\)
Die letzte Umformung folgt aus den Additionstheoremen der trigonometrischen Funktionen:

cos (α + β) = cos α ⋅ cos β - sin α ⋅ sin β

sin (α + β) = cos α ⋅ sin β + sin α ⋅ cos β

Die Sonderfälle ergeben sich durch Einsetzen in die Eigenschaft 3- Letzteren mit vollständiger Induktion.



Multiplikation und Division komplexer Zahlen in Polarform

Seien \(z_1=r_1~E(\alpha_1)\) und \(z_2=r_2~E(\alpha_2)\) sowie \(z=r~E(\alpha)\) gegeben.

Dann gilt: \(~~~~~~~~\mathbf{z_1\cdot z_2~=~r_1E(\alpha_1)\cdot r_2E(\alpha_2)~=~ r_1r_2E(\alpha_1+\alpha_2)}\)

insbesondere die Formel von Moivre;   \(\mathbf{z^n~=~r^n~E(n~\alpha)}\)

sowie \(~~~~~~~~~~~~~\large \mathbf{\frac{1} {z}~=~\frac{1}{r}}\)\(\mathbf{E(-\alpha)~=~}\)\(\large\mathbf{\frac{1}{r}}\)\(\mathbf{E(360°-\alpha)}\)

und \(~~~~~~~~~~~~~~~~\large \mathbf{\frac{z_1} {z_2}~=~\frac{r_1E(\alpha_1)}{r_2E(\alpha_2)}~=~\frac{r_1}{r_2}}\)\(\mathbf{E(\alpha_1-\alpha_2)}\)

Fasst man die komplexen Zahlen als Vektoren in der Gaußschen Zahlenebene auf, können die Addition bzw. Subtraktion von komplexen Zahlen als Addition bzw. Subtraktion der entsprechenden Vektoren interpretiert werden, die Multiplikation bzw. Division als Drehstreckungen um den Ursprung.



3.2.  Aufgaben



1.
Rechne in die jeweils andere Form um:
a) \(z_1~=~4~-~3i\)       b) \(z_2~=~-2~-~2i\)       c) \(z_3~=~4\cdot E(225°)\)       d) \(z_4~=~\sqrt{3}\cdot E(300°)\)       e) \(z_5~=~\sqrt{2}\cdot E(\frac{\pi}{4})\)

2.
Berechne das Produkt sowie den Quotienten von \(z_1~=~3~E(150°)\) und \(z_2~=~\sqrt{5}~E(\frac{\pi}{2})\).

3.
Bestimme den Winkel zwischen \(z_1~=~3~E(120°)\) und \(z_2~=~2 ~+~ 3i\).

4.
Zeige, dass ∀ α gilt:
a) (E(α))* = E(-α)       b) \(\frac{1}{2}(E(\alpha)+E(-\alpha))~=~cos~\alpha\)       c) \(\frac{1}{2i}(E(\alpha)-E(-\alpha))~=~sin~\alpha\)


zu 1.
Anwenden der Umrechnungsgleichungen führt auf:
a) \(z_1~=~4~-~3i~=~5~E(323,1°)\)       b) \(z_2~=~-2~-~2i~=~2\sqrt{2}~E(135°)\)
c) \(z_3~=~4\cdot E(225°)~=~-\sqrt{2}~-~\sqrt{2}i\)       d) \(z_4~=~\sqrt{3}\cdot E(300°)~=~\frac{1}{2}\sqrt{3}~-~1,5i\)
e) \(z_5~=~\sqrt{2}\cdot E(\frac{\pi}{4})~=~1~+~i\)

zu 2.
\(z_1\cdot z_2~=~3\sqrt{5}~E(240°)~~~~~~~~~~~~~\)\(\large \frac{z_1}{z_2}~=~\frac{3}{\sqrt{5}}\)\(~E(60°)\)

zu 3.
\(z_2~=~2 ~+~ 3i~=~\sqrt{13}E(56,3°)\)
Nun muss der Drehwinkel beachtet werden.
Dann ist der Winkel zwischen \(z_1\) und \(z_2\): \(\angle(z_1,z_2)~=~56,3°-120°+360°=296,3°\)
und \(\angle(z_2,z_1)~=~120-56,3°=63,7°\)

zu 4.
a) E(-α) = cos(-α) + i⋅sin(-α) = cos(α) - i⋅sin(α) = (E(α))*

b) mit cos α = cos (-α) und -sin α = sin (-α) gilt:
\(\frac{1}{2}(E(\alpha)+E(-\alpha))~=~\frac{1}{2}(cos~\alpha+i~sin~\alpha+cos~(-\alpha)+i~sin~(-\alpha))~=~\frac{1}{2}\cdot 2\cdot cos~\alpha~=~cos~\alpha\)

c) mit cos α = cos (-α) und -sin α = sin (-α) gilt:
\(\frac{1}{2i}(E(\alpha)-E(-\alpha))~=~\frac{1}{2i}(cos~\alpha+i~sin~\alpha-(cos~(-\alpha)+i~sin~(-\alpha)))~=~\frac{1}{2i}\cdot 2i\cdot sin~\alpha~=~sin~\alpha\)







4.  Wurzeln komplexer Zahlen



4.1.  Kreisteilungsgleichung  zn = 1



Während die Kreisteilungsgleichung (n ∈ \(\mathbb{N}\)) in der Menge der reellen Zahlen \(\mathbb{R}\) nur eine (falls n ungerade) bzw. zwei (falls n gerade) Lösungen besitzt, gibt es in der Menge \(\mathbb{C}\) n Lösungen.
Diese lassen sich aus der Formel von Moivre herleiten.

Sei z = a + bi = r E(α) = r (cos α + i sin α).
Dann ist nach Moivre \(z^n~=~r^n~E(n\alpha)~=~r^n~(cos~(n\alpha)~+~i~sin~(n\alpha))\).
Durch Vergleich erhält man: rn = 1   →   r = 1 (da r ∈ \(\mathbb{R}\))
sowie                       (*)         n⋅α = 0° ( + k⋅360°) mit k ∈ \(\mathbb{N}\)

Aus der Gleichung (*) folgt, dass es n (verschiedene) Lösungen für α gibt:

\(\large \alpha_i~=~\frac{0°+i \cdot 360°}{n}~=~\frac{0°}{n}~+~\frac{i}{n} \cdot 360°\)\(~~~~mit~~i\in~\{0,...,n-1\}\)


Damit gibt es beispielsweise für n = 5 die Lösungen der Gleichung z5 = 1:

\(z_i~=~1 \cdot E(0°~+~\frac{i}{5} \cdot 360°) ~~~~mit~~i\in~\{0,...,4\}\)

konkret:
\(z_0~=~1 \cdot E(0°)\)
\(z_1~=~1 \cdot E(72°)\)
\(z_2~=~1 \cdot E(144°)\)
\(z_3~=~1 \cdot E(216°)\)
\(z_4~=~1 \cdot E(288°)\)

Im Bild ist die Lösungsmenge der Gleichung z5 = 1 in der Gaußschen Zahlenebene dargestellt.Die Punkte liegen natürlich alle auf dem
Einheitskreis Kreis mit dem Ursprung als Mittelpunkt und dem Radius r = 1.
.


Die Menge der n Lösungen der Kreisteilungsgleichung bildet mit der Multiplikation eine Untergruppe im Körper der komplexen Zahlen.
Auch die Menge aller komplexen Zahlen auf dem Einheitskreis bilden mit der Multiplikation eine Gruppe.



4.2.  Gleichung   zn = r E(α)



Analog zum Vergleich bei der Herleitung der Lösungen der Kreisteilungsgleichung folgt mit der Formel von Moivre:

Die Gleichung zn = q = a + bi = |q| E(α) hat in \(\mathbb{C}\) die n Lösungen

\(\large z_i~=~\sqrt[n]{|r|} \cdot E(\frac{\alpha}{n}~+~\frac{i}{n} \cdot 360°)\)\( ~~~~mit~~i\in~\{0,...,n-1\}\)


Beispiel: z3 = 1 + i = \(\sqrt{2}~E(45°)\)

Lösungen: \(z_i~=~\sqrt[6]{2} \cdot E(15°~+~\frac{i}{3} \cdot 360°) ~~~~mit~~i\in~\{0,...,2\}\)

  →    \(z_0~=~\sqrt[6]{2} \cdot E(15°)~~~~~,~~~~~~z_1~=~\sqrt[6]{2} \cdot E(135°)~~~~~~,~~~~~z_2~=~\sqrt[6]{2} \cdot E(255°)\)



4.3.  Aufgaben



1.
Löse folgende Gleichungen:
\(a)~~z^2-i~=~0~~~~~~~~b)~~z^2~=~2+2\sqrt{3}i~~~~~~~~c)~~z^3~=-1\)

2.
Löse folgende Gleichung: \(~~-5z^6+(1-i)z~=~0\)


1.
a) \(z^2-i~=~0~~~\rightarrow~~~z^2~=~1~E(90°)\)
\(z_i~=~\sqrt{1} \cdot E(45°~+~\frac{i}{2} \cdot 360°) ~~~~mit~~i\in~\{0,...,1\}\)
\(\rightarrow z_0~=~1 \cdot E(45°)~~~~~~,~~~~~z_1~=~1\cdot E(225°)\)

b) \(z^2~=~2+2\sqrt{3}i~=~4~E(60°)\)
\(z_i~=~2 \cdot E(30°~+~\frac{i}{2} \cdot 360°) ~~~~mit~~i\in~\{0,...,1\}\)
\(\rightarrow z_0~=~2 \cdot E(30°)~~~~~~,~~~~~z_1~=~2\cdot E(210°)\)

c) \(z^3~=~-1~=~1~E(180°)\)
\(z_i~=~1 \cdot E(60°~+~\frac{i}{3} \cdot 360°) ~~~~mit~~i\in~\{0,...,2\}\)
\(\rightarrow z_0~=~1 \cdot E(60°)~~~~~~,~~~~~z_1~=~1\cdot E(180°)~~~~~~,~~~~~z_2~=~1\cdot E(300°)\)

2.
\(-5z^6+(1-i)z~=~0\) ↔ \(z\cdot (-5z^5+(1-i))~=~0\)
→ \(~~1.Fall:~~~z_6 = 0 ~~~~oder~~~2.Fall:~~~ -5z^5+(1-i)~=~0\)

im 2. Fall gilt: \(-5z^5+(1-i)~=~0~~~~\rightarrow~~~~z^5~=~\frac{1}{5}~-~\frac{1}{5}i~=~\frac{1}{5}\sqrt{2}~E(315°)\)
\(\rightarrow~~~~z_i~=~\frac{\sqrt[10]{2}}{\sqrt[5]{5}} \cdot E(63°~+~\frac{i}{5} \cdot 360°) ~~~~mit~~i\in~\{0,...,5\}\)
\(\rightarrow z_0~=~\frac{\sqrt[10]{2}}{\sqrt[5]{5}} \cdot E(63°)~~~~,~~~~z_1~=~\frac{\sqrt[10]{2}}{\sqrt[5]{5}}\cdot E(135°)~~~~,~~~z_2~=~\frac{\sqrt[10]{2}}{\sqrt[5]{5}}\cdot E(207°)~~~~,\)\(~~~~~z_3~=~\frac{\sqrt[10]{2}}{\sqrt[5]{5}}\cdot E(279°)~~~~,~~~z_5~=~\frac{\sqrt[10]{2}}{\sqrt[5]{5}}\cdot E(351°)\)





5.  Fundamentalsatz der Algebra



Es stellt sich heraus, dass durch die Zahlbereichserweiterung hin zu den komplexen Zahlen nicht nur quadratische Gleichungen und spezielle Gleichungen n. Grades der Form \(z^n~=~q\) stets Lösungen besitzen, sondern beliebige Gleichungen n. Grades.
Diese umfassende Antwort auf die Frage nach der Lösbarkeit beliebiger Gleichungen fand Carl Friedrich Gauß 1799 und heißt

Fundamentalsatz der Algebra


Jede Gleichung n. Grades (n ≥ 1) der Form

\(a_nz^n~+~a_{n-1}z^{n-1}~+~...~+~a_1z~+~a_0~=~0\)

mit \(a_i~\in ~\mathbb{C}~~,~~i~\in~\{0,...,n\}\) hat in \(\mathbb{C}\) mindestens eine Lösung.



An dieser Stelle wird auf einen Beweis verzichtet. Aber es werden Folgerungen aus diesem Satz dargestellt werden.

Folgerung 1
Jedes Ploynom f(z) vom Grad n lässt sich in Linearfaktoren zerlegen:
\(f(z)~=~a_nz^n~+~a_{n-1}z^{n-1}~+~...~+~a_1z~+~a_0~=a_n~(z-z_1)~(z-z_2)~...~(z-z_n)\)


Da nach dem Fundamentalsatz das Polynom mindestens eine Nullstelle \(z_1\) besitzt, lässt sich f(z) darstellen durch:
\(f(z)~=~g(z)\cdot (z-z_1)\).
Das Polynom g(z) besitzt dann den Grad n-1.
Nun wendet man den Fundamentalsatz auf g(z) an usw.


Jedes Polynom f(z) vom Grad n besitzt demnach in \(\mathbb{C}\) genau n Nullstellen (mehrfache Nullstellen sind entsprechend oft zu zählen).

Folgerung 2
Bis hin zu der Menge der komplexen Zahlen wurden Zahlbereichserweiterungen durch Hinzufügen von Lösungen von (linearen oder quadratischen) Gleichungen begründet. Der Fundamentalsatz zeigt nun, dass \(\mathbb{C}\) nicht mehr in diesem Sinne erweitert werden kann.
Man nennt \(\mathbb{C}\) deshalb algebraisch abgeschlossen.

Folgerung 3
Jedes reelle Polynom f(x) lässt sich in ein Produkt von reellen Polynomen 1. und 2. Grades zerlegen:
\(f(x)~=~a_nx^n~+~a{n-1}x^{n-1}~+~...~+~a_0+=~a_n~(x-x_1)\cdot ...\cdot (x-x_k)\cdot g_1(x)\cdot ... \cdot g_m(x)\).
Dabei sind die \(x_i\) genau die reellen Nullstellen von f(x) und die reellen Polynome \(g_j(x)\) sind quadratisch. Ihre Nullstellen bilden jeweils ein Paar zueinander konjugierter nicht reeller Zahlen.


Nach dem Fundamentalsatz zerfällt das Polynom f(x) in n (nicht notwendigerweise reelle) Linearfaktoren. Die reellen Linearfaktoren lassen sich abspalten.
Sei nun \(z_1\) eine komplexe Nullstelle. Dann gilt:

\(a_nz_{1}^n~+~a^{n-1}z_1^{n-1}~+~...~+~a_0~=~0\)
Beide Seiten stellen die gleiche komplexe Zahl dar. Bildet man nun auf beiden Seiten die konjugiert komplexe Zahl, sind die entstehenden Zahlen ebenfalls gleich.

\(~~~~~~~~~~~~~~~~(a_nz_{1}^n~+~a_{n-1}z_1^{n-1}~+~...~+~a_0)^*~=~0^*\)
\(\rightarrow~~~~~~~~~~~a_n^*(z_1^*)^n~+~(a_{n-1})^*(z_1^*)^{n-1}~+~...~+~a_0^*~=~0^*\)

Nach Voraussetzung sind alle \(a_i\) reell. Deshalb:

\(\rightarrow~~~~~~~~~~~a_n(z_1^*)^n~+~a_{n-1}(z_1^*)^{n-1}~+~...~+~a_0~=~0\)
\(\rightarrow~~~~~~~~~~~z_1^*\) ist ebenfalls eine Nullstelle von f(x).

Nicht reelle Nullstellen treten demnach stets als konjugiert komplexe Paare auf.
Dann: \((x-z_1)~(x-z_1^*)~=~x^2~-~(z_1+z_1^*)x~+~z_1z_1^*~=~x^2~-~2Re(z_1)x~+~\sqrt{Re(z_1)^2+(Im(z_1)^2}\)
Diese Produkte sind folglich stets reelle quadratische Polynome.
Deshalb lassen sich die nicht reellen Linearfaktoren durch quadratische Faktoren darstellen.




6.  Anwendungen



1.1.  Bewegungen



Eine Bewegung in der x-y-Ebene kann durch zeitabhängige Funktionen dargestellt werden:
\(~~~~~\)x = x(t) \(~~~\)sowie\(~~~\) y = y(t).
Für die Beschreibung der (zeitabhängigen) Ortsangabe lässt sich statt der reellen Zahlen x und y
auch eine komplexe Zahl z = x + iy verwenden.
Die zeitabhängige Ortsangabe der Bewegung lautet: z(t) = x(t) + iy(t).

Geschwindigkeit und Beschleunigung werden wie üblich definiert:

Geschwindigkeit \(\dot{z}(t)~=~\dot{x}~+~i\dot{y}(t)\)
Beschleunigung \(\ddot{z}(t)~=~\ddot{x}~+~i\ddot{y}(t)\)


Beispiel einer Wurfbewegung (mit Erdbeschleunigung g = 10 \(\frac{m}{s^2}\)):
z(t) = \(10~ t~ +~ i~(10~ t~ -~ 5~ t^2)\).

Kreisbewegung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit

Das Zeigerdiagramm ist für die Beschreibung ein geeignetes Hilfsmittel.
Man denke sich einen Punkt z, der in der komplexen Zahlenebene um den Ursprung mathematisch positiv (also gegen den Uhrzeigersinn) mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω rotiert. Die Bewegung beginnt zum Zeitpunkt t = 0 auf der reellen Achse. Dann ist φ = ωt zum Zeitpunkt t der Winkel zwischen reeller Achse und rotierendem Zeiger. Die Länge des Zeigers sei r.

Insgesamt: Ort z(t) = r E(ωt) = r (cos ωt + i sin ωt)

Die (Bahn-)Geschwindigkeit des Punktes z ist
\(\dot{z}(t)=r \cdot (-\omega ~sin~\omega t+i~\omega~ cos~\omega t)= \omega r \cdot (-sin~\omega t+i~ cos~\omega t)\)
Nun noch i = 1⋅E(\(\frac{\pi}{2}\)) ausklammern:
\(\dot{z}(t)=\omega~ E(\frac{\pi}{2})~r\cdot (cos~\omega t +i~sin~\omega~t)=\omega~ E(\frac{\pi}{2})\cdot z(t)=\omega~i~z(t)\)

Man erkennt: die Bahngeschwindigkeit eilt dem Ort um 90° = \(\frac{\pi}{2}\) voraus.

Die Beschleunigung ist \(\ddot{z}(t)=\omega~ E(\frac{\pi}{2}) \dot{z}(t)=\omega^2~ E^2(\frac{\pi}{2})~z(t)=\omega^2~ E(\pi)~z(t)=-\omega^2~z(t)\).

Die Beschleunigung eilt der Geschwindigkeit um 90°, dem Ort um 180° in der Drehung voraus.
Vom Ort z aus gesehen, zeigt der Beschleunigungsvektor zum Zentrum der Bewegung. Man spricht deshalb von der Zentral- oder auch Radialbeschleunigung.

Ort \(z(t) = r ~E(\omega t)\)
Geschwindigkeit \(\dot{z}(t)=\omega~ E(\frac{\pi}{2})\cdot z(t)\) mit   \(|\dot{z}| = \omega~ |z| =\omega~ r\)
Beschleunigung \(\ddot{z}(t)= -\omega^2~z(t)\) mit   \(|\ddot{z}| = \omega^2~ |z| =\omega^2~ r\)



6.2.  Wechselstrom



Spannungen und Stromstärken lassen sich in Wechselstromschaltungen elegant mit Hilfe des Zeigermodells darstellen:

\(I(t)~=~I_0~E(\omega t)~=~I_0~(cos~\omega t~ + i~sin~ \omega t)\)
\(U(t)~=~U_0~E(\omega t)~=~U_0~(cos~\omega t~ + i~sin~ \omega t)\)

I und U rotieren als Zeiger um den Ursprung mit der (konstanten) Winkelgeschwindigkeit ω. Die Länge der Zeiger entspricht den Scheitelwerten \(I_{0}\) bzw. \(U_{0}\). Die Momentanwerte von Wechselströmen \(I_{mom}\) bzw. Wechselspannungen \(U_{mom}\) lassen sich mit Hilfe der trigonometrischen Funktionen und der Kreisfrequenz ω beschreiben:

\(I_{mom}~=~I_0\cdot cos~\omega t\)
\(U_{mom}~=~U_0\cdot cos~\omega t\)

\(I_0\) ist der Maximal- oder Scheitelwert der Stromstärke (entsprechend \(U_0\)).

Der Momentanwert ist die Projektion des Zeigers auf die reelle Achse: \(I_{mom}\) = Re (I(t)).

In der Praxis hat man es häufig mit Strömen oder Spannungen gleicher Frequenz zu tun, die aber zeitlich um eine Phase δ gegeneinander verschoben sind:

\(I_{mom}~=~I_0\cdot cos~\omega t\)
\(I^{'}_{mom}~=~I^{'}_0\cdot cos~(\omega t+\delta)\)


Widerstände

Der Vorteil der komplexen Betrachtung erschließt sich insbesondere bei Widerstandsberechnungen, weil für einige Bauteile (z.B. Kondensator oder Spule) Stromstärke und Spannung gegeneinander phasenverschoben sind.

Der Quotient aus Spannung und Stromstärke wird als
Widerstand R Wechselstromwiderstände werden auch als Impedanz Z bezeichnet. U und I sind dann Effektivwerte. Alternativ kann die Impedanz als Quotient aus den Scheitelwerten u und i (klein geschrieben) definiert werden.
Es gilt: i = I⋅\(\sqrt{2}\) bzw. u = U⋅\(\sqrt{2}\).
bezeichnet: \(R~=~\frac{U}{I}\).

Bei einem Ohmschen Widerstand sind Spannung und Stromstärke in Phase:
I(t) = \(I_0~E(\omega t)\) und U(t) = \(U_0~E(\omega t)\)   →   \(R_{\Omega}~=~\frac{U(t)}{I(t)}~=~\frac{U_0~E(\omega t)}{I_0~E(\omega t)}~=~\frac{U_0}{I_0}\)
Die Impedanz eines Ohmschen Widerstands ist unabhängig von der Frequenz und stimmt mit dem Gleichstromwiderstand überein.

Bei einem kapazitiven Widerstand (an einem Kondensator) eilt der Strom um \(\frac{\pi}{2}\) der Spannung voraus, der Scheitelwert beträgt \(I_0~=~\omega ~C~U_0\). C ist die Kapazität des Kondensators.

Es gilt:   \(R_{C}~=~\)\( \large \frac{U(t)}{I(t)}\)\(~=~ \large \frac{U_0~E(\omega t)}{\omega C U_0~E(\omega t+\frac{\pi}{2})}\)\(~=~\large \frac{1}{\omega C}\)\(~E(-\frac{\pi}{2})~=~\)\( \large -\frac{1}{\omega C}i\).

Bei einem induktiven Widerstand (an einer Spule) eilt der Strom um \(\frac{\pi}{2}\) der Spannung nach, der Scheitelwert beträgt \(I_0~=~\frac{1}{\omega ~L}~U_0\). L ist die Induktivität der Spule.

Es gilt:   \(R_{L}~=~\)\(\large \frac{U(t)}{I(t)}\)\(~=~ \large \frac{U_0~E(\omega t)}{\frac{1}{\omega L} U_0~E(\omega t-\frac{\pi}{2})}\)\(~=~\omega L~E(\frac{\pi}{2})~=~\omega L i\).


Serienschaltung von komplexen Widerständen

Beispiel:
Außer einem induktiven Widerstand besitzt eine Spule auch einen ohmschen Widerstand, der durch den Spulendraht hervorgerufen wird.
Das Ersatzschaltbild ist eine Reihenschaltung bestehend aus einem ohmschen Widerstand und einem induktiven Widerstand.

Den Gesamtwiderstand der Spule berechnet man mit

\(R~=~\)\(\large \frac{U(t)}{I(t)}\)\(~=~ \large \frac{U_{\Omega}+U_{L}}{I(t)}\)\(~=~\large \frac{U_{\Omega}}{I(t)}+\frac{U_{L}}{I(t)} \) \(~=~R_{\Omega}+R_{L}~=~R_{\Omega}~+~\omega ~L~i~=~|R|~E(\delta)\)

Dabei ist |R| = \(\large \frac{U_0}{I_0}\).

Im Zeigerdiagramm werden die Spannungen \(U_{L}\) und \(U_{\Omega}\) vektoriell zur Gesamtspannung U(t) addiert.


Zahlenbeispiel:
Der ohmsche Widerstand einer Spule betrage \(R_{\Omega}\) = 5 Ω und ihre Induktivität sei L = 100 mH.
Für die Netzfrequenz f = 50 Hz berechnet sich der (komplexe) Gesamtwiderstand der Spule zu:
R = \(\mathit{R_{\Omega}+R_{L}~=~5~+~2\cdot\pi\cdot 50\cdot 0,1~i~\approx~5~+~31,4~i~\approx~31,8~E(81°)}\)    mit   tan δ =\(\frac{31,4}{5}\).


Dieses Beispiel lässt sich verallgemeinern.
Wie im Gleichstromkreis ist der Gesamtwiderstand einer Serienschaltung im Wechselstromkreis die Summe der Teilwiderstände:

\( \large R~=~R_1~+~R_2 \)




Parallelschaltung von komplexen Widerständen

Auch im Parallelkreis entspricht der Gesamtwiderstand im Wechselstromkreis der Formel im Gleichstromkreis:

\( \Large \frac{1}{R}~=~\frac{1}{R_1}~+~\frac{1}{R_2} \)


Im Zeigerdiagramm der Serienschaltung (s. oben) ersetze man den (gemeinsamen) Stromzeiger I(t) durch den (gemeinsamen) Spannungszeiger U(t) und addiere vektoriell die jeweiligen Stromzeiger.



6.3.  Pythagoräische Zahlen


In diesem Abschnitt werden komplexe Zahlen verwendet, um Erkenntnisse über natürliche Zahlen zu gewinnen.
Allgemein bekannt ist der Satz von Pythagoras, mit dem die Gleichung

\(a^2~+~b^2~=~c^2\)


untrennnbar verknüpft ist.

Ein Tripel (a,b,c) natürlicher Zahlen heißt pythagoräisches Zahlentripel, wenn es der angegebenen Gleichung genügt.
Geometrisch repräsentiert ein solches Tripel gemäß Pythagoras ein rechtwinkliges Dreieck.
Ein bekanntes Beispiel ist (3,4,5), denn \(3^2+4^2=5^2\).
Natürlich sind damit auch Vielfache dieses Tripels pythagoräische Zahlentripel: z.B. (6,8,10) oder allgemein (3n,4n,5n) mit n ∈\(\mathbb{N}\), denn es gilt \((3n)^2~+~(4n)^2~=~(5n)^2\).

Aber gibt es auch weitere pythagoräische Tripel, und wenn ja, welche?

Deshalb:

\(a^2~+~b^2~=~c^2~~~\leftrightarrow~~~\large \frac{a^2}{c^2}~+~\frac{b^2}{c^2}\)\(~=~1~~~\leftrightarrow~~~\large \frac{a}{c}+\frac{b}{c}\)\(i~\in~\mathbb{S}\)


Letzteres wegen |\(\large \frac{a}{c}~+~\frac{b}{c}\)i| = 1 , denn |x + yi| = \(\sqrt{x^2+y^2}\). \(\mathbb{S}\) ist die Menge der Punkte auf dem Einheitskreis in der komplexen Zahlenebene.
Jedes pythagoräische Zahlentripel ergibt deshalb einen rationalen Punkt auf dem Einheitskreis.

Umgekehrt: Sei x + yi ∈ \(\mathbb{S}\) mit x,y ∈ \(\mathbb{Q}\).
Dann gibt es k,l,m,n ∈ \(\mathbb{Z}\) mit x = \(\large \frac{k}{l}\) und y = \(\large \frac{m}{n}\).
Weiter: \(x^2+y^2~=~1~~~\leftrightarrow~~~ \large \frac{k^2}{l^2}~+~\frac{m^2}{n^2}\)\(~=~1~~~\leftrightarrow~~~(kn)^2+(ml)^2~=~(ln)^2\).

Setzt man nun a , b , c ∈ \(\mathbb{N}\) voraus, sind \(\large \frac{a}{c}\) und \(\large \frac{b}{c}\) rational. Deshalb lässt sich formulieren:

Die pythagoräischen Zahlentripel (bis auf Vielfache) entsprechen den
rationalen Punkten auf dem Viertelkreis \(\mathbb{V}\) des Einheitskreises im I. Quadranten.



Aber welche rationalen Punkte liegen auf dem Viertelkreis?

Beweisidee:

1. Es gilt: \(\large \frac{|z+i|}{|z-i|}\)\(~=~1~~~\leftrightarrow~~~\)z ist reell\(~~~~~\)


\(\large \frac{|z+i|}{|z-i|}\)\(=1~~~\leftrightarrow~~~|z+i|=|z-i|\)\(~~~\leftrightarrow~~~(z+i)(z^*-i)=(z-i)(z^*+i)\)\(~~~\leftrightarrow~~~(z^*-z)i=(z-z^*)i~~~\leftrightarrow~~~z=z^*~~~\leftrightarrow~~~z~ist~reell\)


2. Die Abbildung f: \(\mathbb{R}~~\rightarrow~~\mathbb{S}/\{1\}\)
\(~~~f(x)~=~z~=~\large \frac{x+i}{x-i}\)\(~=~\large \frac{(x+i)(x+i)}{(x-i)(x+i)}\)\(~=~\large \frac{x^2-1}{x^2+1}\)\(+\large \frac{2x}{x^2+1}\)i
\(~~~\)bildet die reelle Achse auf den Einheitskreis ab.
\(~~~\)Rationale Zahlen in \(\mathbb{R}\) werden auf rationale Punkte in \(\mathbb{S}/\{1\}\) abgebildet (rationale Terme).
\(~~~\)Für rationale Bildpunkte auf dem Viertelkreis \(\mathbb{V}\) gilt:
\(~~~\)Urbild x > 1 (beachte den Realteil von f(x)).
\(~~~~\)


Nach 1. ist der Betrag des Bildpunktes 1. Der Bildpunkt liegt deshalb auf dem Einheitskreis.
Der Bildpunkt 1 wird nicht angenommen, denn dann müsste gelten: \(\large \frac{2x}{x^2+1}\) = 0. Das ist für x = 0 der Fall. Aber: f(0) = -1.
Weitere Beispiele:
f(±2) = 0,6 ± 0,8i
f(±1) = ±i
f(±10) = \(\large \frac{99}{101}\) ± \(\large \frac{20}{101}\)i


3. Die Umkehrabbildung \(f^{-1}\): \(\mathbb{S}/\{1\}~~\rightarrow~~\mathbb{R}\)
\(~~~f^{-1}(z)~=~\large \frac{-iz-i}{-z+1}\) existiert.\(~~~~\)


Um die Umkehrfunktion zu erhalten, löst man den Funktionsterm von f nach x auf, denn \(f^{-1}(z)~=~x\).
Deshalb: \(z~=~\large \frac{x+i}{x-i}\)\(~~~\leftrightarrow~~~z(x-i)~=~x+i~~~\leftrightarrow~~~x~=~f^{-1}(z)~=~\large \frac{-iz-i}{-z+1}\)
Man erkennt, z = 1 darf nicht eingesetzt werden, denn sonst ist der Nenner nicht definiert.


\(~~~~~~~~\)Deshalb: Rationale Punkte in \(\mathbb{S}/\{1\}\) sind genau die Bilder rationaler Zahlen in \(\mathbb{R}\).

Folgerung:
Die rationalen Punkte in \(\mathbb{V}\) sind genau die Bilder rationaler Zahlen \(\large \frac{a}{b}\) mit a > b.
Einsetzen: f(x) = f(\(\large \frac{a}{b}\)) = \(\large \frac{|\frac{a}{b}+i|}{|\frac{a}{b}-i|}\) = \(\large \frac{a+bi}{a-bi}\) = \(~=~\large \frac{a^2-b^2}{a^2+b^2}\)\(+\large \frac{2ab}{a^2+b^2}\)i .

Daraus erhält man alle pythagoräische Zahlentripel (\(a^2-b^2\) , 2ab , \(a^2+b^2\)).

Beispiele:

a b \(\mathbf{a^2-b^2}\) 2 ab \(\mathbf{a^2+b^2}\)
2 1 3 4 5
3 1 8 6 10
3 2 5 12 13
4 1 15 8 17



6.4.  Aufgaben


1. Gegeben ist die Bewegung z(t) = r (sin ωt + i cos 2ωt) mit 0 ≤ t ≤ T und ω = \(\large \frac{2\pi}{T}\).

a) Berechne z(t) für t = n⋅\(\large\frac{1}{8}\)⋅T mit n ∈ {0 , ... , 8} und r = 5. Skizziere die Bahn.

b) Berechne die maximale Geschwindigkeit. Für welche Zeiten ist die Gechwindigkeit 0?

c) Berechne die maximale Beschleunigung. Zeige, dass die Beschleunigung niemals 0 wird.

d) Zeige, dass die Bahn im Definitionsbereich durch die Parabel  y = r (1 - 2 \(\large \frac{x^2}{r^2}\))  beschrieben wird, falls z = x + iy ist.


2. Stromresonanz

Eine Spule, ein Kondensator und ein ohmscher Widerstand sind in Reihe geschaltet.

a) Fertige ein (prinzipielles) Zeigerdiagramm für die verktorielle Bestimmung der Gesamtspannung an.
Anmerkung: Die Stromstärke ist gleich!

b) Ermittle den (komplexen) Gesamtwiderstand für die Serienschaltung (auch in Polarschreibweise).

c) Zeige, dass |R| als Funktion der Winkelgeschwindigkeit ω ein Minimum \(\omega_0\) besitzt und berechne es. Erläutere die Bedeutung für \(U_L\) und \(U_C\).

d) Die Gesamtspannung U(t) soll einen konstanten Scheitelwert, aber eine variable Winkelgeschwindigkeit ω besitzen. Zeige, dass die Amplitude \(I_0\) für eine bestimmte Winkelgeschwindigkeit maximal wird und bestimme diese.

3. Spannungsresonanz

Eine Spule, ein Kondensator und ein ohmscher Widerstand sind parallel geschaltet.

a) Fertige ein (prinzipielles) Zeigerdiagramm für die verktorielle Bestimmung der Gesamtstromstärke an.
Anmerkung: Die Spannung ist gleich!

b) Ermittle den (komplexen) Gesamtwiderstand für die Parallelschaltung (auch in Polarschreibweise).


4. Eine Spule und ein Kondensator sind parallel geschaltet.

Die Spule besitzt eine Induktivität von 35 mH und einen Gleichstromwiderstand von 5 Ω. Der Kondensator besitzt eine Kapazität von C = 5 μF.

a) Bestimme für die Frequenzen \(f_1\) = 50 Hz und \(f_2\) = 1 kHz den Widerstand der Schaltung (Schwingkreis).

b) Bestimme den maximalen Widerstand unter Vernachlässigung des ohmschen Widerstands sowie die zugehörige Kreisfrequenz.


1.
a) Einsetzen von t = n⋅\(\large\frac{1}{8}\)⋅T mit n ∈ {0 , ... , 8} und r = 5:
\(~~~\)z(t) = r (sin ωt + i cos 2ωt) = 5 (sin \(n\large \frac{\pi}{4}\) + i cos \(n\large \frac{\pi}{2}\))

\(~~~~\)n = 0 → z(0⋅\(\large\frac{1}{8}\)⋅T) = 5 i
\(~~~~\)n = 1 → z(1⋅\(\large\frac{1}{8}\)⋅T) = 5⋅\(\frac{1}{2}\sqrt{2}\)
\(~~~~\)n = 2 → z(2⋅\(\large\frac{1}{8}\)⋅T) = 5 - 5 i
\(~~~~\)n = 3 → z(3⋅\(\large\frac{1}{8}\)⋅T) = 5⋅\(\frac{1}{2}\sqrt{2}\)
\(~~~~\)n = 4 → z(4⋅\(\large\frac{1}{8}\)⋅T) = 5 i
\(~~~~\)n = 5 → z(5⋅\(\large\frac{1}{8}\)⋅T) = -5⋅\(\frac{1}{2}\sqrt{2}\)
\(~~~~\)n = 6 → z(6⋅\(\large\frac{1}{8}\)⋅T) = -5 - 5 i
\(~~~~\)n = 7 → z(7⋅\(\large\frac{1}{8}\)⋅T) = -5⋅\(\frac{1}{2}\sqrt{2}\)
\(~~~~\)n = 8 → z(8⋅\(\large\frac{1}{8}\)⋅T) = 5 i

Die Bahnkurve verläuft ausgehend vom Punkt (0/5) parabelförmig zum Punkt (5/-5) und zurück und weiter parabelförmig zum Punkt (-5/-5) und zurück.


b) \(\dot{z}(t)~=~\omega r~(cos~\omega t~-~i\cdot 2\cdot sin~2\omega t)\)

\(~~~\)Dann gilt mit sin 2ωt = 2 sin ωt cos ωt für den Betrag der Geschwindigkeit:
\(~~~|\dot{z}(t)|~=~\omega r~\sqrt{(cos^2~\omega t~+~4\cdot sin^2~2\omega t)}~=~\omega r~\sqrt{(cos^2~\omega t~+~4\cdot (2~sin~\omega t~cos~\omega t)^2}\)
\(~~~~~~~~~~~~~=~\omega r~cos~\omega t~\sqrt{(1~+~16~sin^2~\omega t}\)

Die Geschwindigkeit ist Null, falls cos ωt = 0 (die Wurzel ist immer größer als Null).
Dann ωt = \((2k+1) \cdot \frac{\pi}{2}\) mit k ∈ N.
Aus t = n⋅\(\large\frac{1}{8}\)⋅T folgt \( \large \frac{2\pi}{T}\)⋅n⋅\(\large\frac{1}{8}\)⋅T = \((2k+1) \cdot \frac{\pi}{2}\) → n = (2k + 1)⋅2 → n = 2 oder n = 6.
An den Punkten (5/-5) sowie (-5/-5) ist die Geschwindigkeit Null.


c) \(\ddot{z}(t)~=~-\omega^2 r~(sin~\omega t~-~i\cdot 4\cdot cos~2\omega t)\)

Der Betrag der Beschleunigung ist:
\(~~~|\ddot{z}(t)|~=~\omega^2 r~\sqrt{sin^2~\omega t~+~ 16\cdot cos^2~2\omega t}\)

Der Betrag würde nur Null werden, wenn sin ωt und cos 2ωt gleichzeitig Null werden.
sin ωt = 0 → ωt = k⋅π
cos 2ωt = 0 → ωt = \(\frac{\pi}{4}~+~k'\cdot \frac{\pi}{2}\)
Beide Bedingungen sind nicht gleichzeitig erfüllbar.



d) Es gilt:
\(~~~\)1. x = r sin ωt
\(~~~\)2. y = r cos 2ωt
\(~~~\)3. \(cos~ 2\omega t~ =~ 1 - 2 sin^2~\omega t\)

Einsetzen von 3. und 1. in 2.: y = r (\(1 - 2 sin^2~\omega t\)) = r (1 - \(2~\frac{x^2}{r^2})\)

In Aufgabenteil a) erkennt man die Bahnkurve, die dieser Parabel entspricht.


2.
a) Vektordiagramm s. Bild

\(U_L\) und \(U_C\) sind um 180° phasenverschoben.
\(U_{ges}\) erhält man mit dem Satz von Pythagoras:

\(U_{ges}~=~\sqrt{{U_{\Omega}}^2+(U_L-U_C)^2}\)


b) \(R_{ges}~=~R_{\Omega}+R_L+R_C~=~R_{\Omega}+(\omega L-\frac{1}{\omega C})i~=~|R|~E(\delta)\)

mit |R| = \( \sqrt{{R_{\Omega}}^2+(\omega L-\frac{1}{\omega C})^2}\)
sowie δ = arctan \(\large \frac{\omega L-\frac{1}{\omega C}}{R_{\Omega}}\)


c) |R| wird minimal, falls der Ausdruck \((\omega L-\frac{1}{\omega C})\) den Wert Null ergibt. Das ist der Fall, wenn \(\omega^2~=~\frac{1}{LC}\) ist. Diese Gleichung heißt Thomsonsche (Schwingungs-)Gleichung.
Dann: |R| = \(R_{\Omega}\).
\(U_L\) und \(U_C\) sind dann betragsmäßig gleich. Die Spannungen heben sich dann auf (wegen der Phasenverschiebung um 180°).


d) Aus der Definition des Widerstands R = \(\frac{U_0}{I_0}\) folgt \(I_0~=~\frac{U_0}{R}\).
Da \(U_0\) = const. gilt, wird \(I_0\) maximal, falls R minimal ist.
R wird minimal, wenn die Thomson-Gleichung erfüllt wird.
Maximales \(I_0\) = \(\frac{U_0}{R_{\Omega}}\).
Man spricht dann von Stromresonanz.


3.
a) Das Vektordiagramm entspricht dem Diagramm in Aufgabe 2.a). Aus dem I(t)-Vektor wird der U(t)-Vektor, aus den Spannungsvektoren werden Stromvektoren. Dabei sind \(I_L\)(t) und \(I_C\)(t) vertauscht.

b) \(\large \frac{1}{R_{ges}}~=~\frac{1}{R_{\Omega}}+\frac{1}{R_L}+\frac{1}{R_C}~=~\frac{1}{R_{\Omega}}+\frac{1}{i\omega L}-\frac{1}{\frac{1}{\omega C}i}\)\(~=~\large \frac{1}{R_{\Omega}}+(\omega C-\frac{1}{\omega L})i\)
→ \(R_{ges}~=~ \large \frac{1}{(\frac{1}{R_{\Omega}})^2+(\omega C-\frac{1}{\omega L})^2}\cdot(\frac{1}{R_{\Omega}}-(\omega C-\frac{1}{\omega L})i) \)\(~=~|R|~E(\delta)\)

→ |R| = \(\large \sqrt{\frac{1}{(\frac{1}{R_{\Omega}})^2+(\omega C-\frac{1}{\omega L})^2}}\)     sowie     δ = arctan (-\(R_{\Omega}~(\omega C-\frac{1}{\omega L}))\) .


4.
a) Die Reihenschaltung von Spule und ohmschen Widerstand fasst man zu einem Ersatzwiderstand zusammen. Dann sind der Ersatzwiderstand und der Kondensator parallel geschaltet.

\(\large \frac{1}{R_{ges}}\) = \(\large \frac{1}{R_{\Omega} + R_L}\) + \(\large \frac{1}{R_C}\) = \(\large \frac{1}{R_{\Omega} + \omega L i}\) + ωC i

\(~~~~~~\) = \(\large \frac{R_{\Omega} - \omega L i}{R_{\Omega}^2 + (\omega L)^2}\) + ωC i = \(\large \frac{R_{\Omega}}{R_{\Omega}^2 + (\omega L)^2}\)\(~ +~ (\omega C -\)\(\large \frac{\omega L}{R_{\Omega}^2 + (\omega L)^2})\)i

Für f = 50 Hz erhält man:
\(\large \frac{1}{R_{ges}}\) = \(\large \frac{5}{5^2 + (2\pi\cdot 50\cdot 0,035)^2}\)\(~ +~ (2\pi\cdot 50\cdot 5\cdot 10^{-6} -\)\(\large \frac{(2\pi\cdot 50\cdot 0,035}{5^2 + (2\pi\cdot 50\cdot 0,035)^2})\)i ≈ 0,034 - 0,077 i
 →   \(R_{ges}\) ≈ 4,80 + 10,7 i    →   |R| ≈ 11,9 &Ohm; und δ ≈ 65,8°

Für f = 1 kHz erhält man:
\(\large \frac{1}{R_{ges}}\) = \(\large \frac{5}{5^2 + (2\pi\cdot 1000\cdot 0,035)^2}\)\(~ +~ (2\pi\cdot 1000\cdot 5\cdot 10^{-6} -\)\(\large \frac{(2\pi\cdot 1000\cdot 0,035}{5^2 + (2\pi\cdot 1000\cdot 0,035)^2})\)i ≈ 0,0001 - 0,027 i
 →   \(R_{ges}\) ≈ 7,3 + 37 i    →   |R| ≈ 37,7 &Ohm; und δ ≈ 78,8°


b) Vernachlässigt man den ohmschen Widerstand, können die Lösungen von Aufgabe 3 herangezogen werden: eine Parallelschaltung von Spule und Kondensator (Schwingkreis).
Der Widerstand geht gegen unendlich, wenn die Thomsongleichung erfüllt wird:
\(\omega C-\frac{1}{\omega L}~=~0~~\rightarrow~~\omega^2~=~\frac{1}{LC}~~\rightarrow~~\)ω ≈ 2390 Hz → f = 380 Hz.

Der Schwingkreis ist in der Konstellation C = 5 μF und L = 35 mH auf 380 Hz abgestimmt.
Im Prinzip kreist der Strom (nur) im Parallelkreis. Der Widerstand des Schwingkreises ist für diese Frequenz am größten.